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Das Blatt im Blick

Blätter sind mehr als bloßes Begleit-grün. Erstens sind sie nicht ausschließlich grün und zweitens mitunter so attraktiv, dass sie im Garten keine Nebenrolle spielen sollten. Wer bei der Pflanzenauswahl nicht nur Blüten, sondern auch Blätter berücksichtigt, hat buchstäblich mehr vom Garten.

Aus Sicht einer Pflanze ist der Fall klar: Ihre Blätter versorgen sie wie kleine Kraftwerke über die Photosynthese mit Energie und sind somit lebenswichtig. Wie notwendig das Blattwerk auch in gestalterischer Hinsicht ist, fällt spätestens dann auf, wenn es fehlt. Auf kahlem Boden wirken selbst in voller Blüte stehende Edelrosen befremdend trostlos. Gartenprofis setzen das Laub aber nicht nur als Leinwand für Blüten ein, sondern inszenieren seine Vielfalt aus Formen und Farben ganz bewusst.

 

Harmonie im Beet

Wenn Oliver Ochsenfahrth einen Garten gestaltet, hört er einen Satz ganz häufig: „Es soll immer etwas blühen.“ Diesen Wunsch versteht der Gärtner von Eden aus Schalksmühle bei Lüdenscheid, und natürlich kennt er viele Pflanzen, die auch im späten Herbst oder schon im Vorfrühling blühen. Trotzdem will er sein Gartenkonzept nicht nur auf die Blüten stützen: „Wenn immer etwas blüht, kann das schön sein, aber oft fehlt der gestalterische Gedanke und dann sieht es leider eher so aus: Irgendwo blüht irgendwas.“ Ein tragendes Gerüst aus attraktiven Blattschmuckpflanzen ist für ihn deshalb unverzichtbar. Rundliche Blätter strahlen Ruhe aus – vor allem wenn sie großflächig und als Bodendecker gepflanzt sind. Gefiederte Blätter oder hoch aufragende Halme setzen dafür Akzente: „Ich sehe mich da als Dirigent, der dafür sorgen muss, dass ein Pflanzenorchester gut harmoniert und es weder Misstöne gibt noch Langeweile aufkommt.“ Mag sein, dass Blätter dabei auf den ersten Blick nicht die erste Geige spielen – trotzdem sind sie für den Gestalter wertvoll: „Das Blattwerk prägt die Beete viel länger als die Blüten. Deshalb achte ich bei der Gartenplanung auf das Laub und mache gern Werbung für Blattschmuckpflanzen.“

 

 

 

Oliver Ochsenfarth

„Ich sehe mich da als Dirigent, der dafür sorgen muss, dass ein Pflanzenorchester gut harmoniert.“

Funkie auf Augenhöhe: Die Schattenstaude wird meist wegen ihrer charaktervollen Blätter gepflanzt, setzt aber auch mit ihren Blüten Akzente.

Das Blatt wendet sich

Bei der Werbung bleibt es nicht – in den Gärten seiner Kunden spielen die unterschiedlichen Blätter längst eine tragende Rolle: Sind die Beete einmal bepflanzt, muss er auf den Zauber eines sich entrollenden Farnwedels oder auf das an Kastanien erinnernde Laub einer Rodgersie nicht mehr hinweisen. Am richtigen Standort gepflanzt – und das darf bei Profis vorausgesetzt werden – entfalten die Blätter ihre ganze Schönheit und werden wertgeschätzt. Wie ansgesagt bemerkenswertes Blattwerk ist, beweist das Purpurglöckchen (Heuchera), das nicht nur zu den Favoriten von Oliver Ochsenfarth gehört.

Heute ist es umgekehrt: Dass es im Sommer blüht, ist hübsch, aber gar nicht mehr so wichtig, denn ich pflanze es in erster Linie wegen des Laubs.“ Die Auswahl an Sorten steigt bei dieser Pflanze mit jedem Jahr, denn die Züchter haben den Trend längst erkannt und viele neue Blattfarben bei Heuchera kreiert. Die Palette reicht vom bekannten Purpur über Limonengrün, Rosa, diverse Rottöne bis hin zu Karamell und Kupfer. Ebenfalls beliebt sind die Spielarten der Funkienblätter, die unterschiedliche Grüntöne und Größen bieten und je nach Sorte weiß gezeichnet sind. „Bei Funkien fragt auch niemand danach, wie sie blühen, obwohl sie im Sommer einen sehr hübschen Blütenstand entwickeln. Doch gepflanzt wird sie wegen ihrer Blätter, die das Beet vom Austrieb bis zum Frost schmücken.“ Manche Stauden wie Lenzrosen, Elfenblumen oder Bergenien lassen sich nicht einmal von Minusgraden beeindrucken und tragen ihre Blätter das ganze Jahr über.

Gekonnt inszeniert

Die Vielfalt der Möglichkeiten zu kennen, ist gut. Sie gestalterisch auch zu nutzen, eine Kunst. Patentrezepte gibt es zwar nicht, praktische Erfahrungen aber schon. Oliver Ochsenfarth: „Rundliche und große Blätter wie sie Funkien tragen, kombiniere ich gerne mit einer anderen Blattform, zum Beispiel dem länglichen Laub eines Grases. Eine Segge wie Carex plantaginea passt sehr gut dazu. Auch vom Standort her.“ Beide fühlen sich in halbschattigen bis schattigen Lagen wohl. Das gilt auch für das Kaukasische Vergissmeinnicht (Brunnera macrophylla), das – anders als das bekannte Vergissmeinnicht – große herzförmige Blätter trägt. Bei den Gartenprofis besonders beliebt: Die Sorte ‘Jack Frost’, die mit ihrer hellen Blattzeichnung Lichtreflexe in den Schatten holt. Auch zu ihren bis zu 20 cm großen Blättern passen schmalblättrige Gräser als Kontrastgeber. Ebenfalls belebend und im wahrsten Sinne des Wortes überragend, wirken filigrane Farne. Ihre raffiniert geschlitzten Wedel kommen kombiniert mit glattrandigen Blättern, wie sie die bodendeckenden Elfenblumen tragen, sehr gut zur Geltung. Die Gärtner schätzen die Vielfalt der Farne und pflanzen am liebsten unkomplizierte Vertreter wie den Goldschuppenfarn (Dryopteris affinis) und Schmalen Filigranfarn (Polystichum setiferum ‚Proliferum‘), zumal beide ihre Wedel je nach Witterung auch im Winter behalten.

Und in der Sonne? Dort könnte das im Licht flirrende, kleine Laub des Steinquendels (Calamintha nepeta) von den in Bögen überhängenden Halmen des Tautropfengrases (Sporobolus heterolepis) begleitet werden. Hier werden in der Sonne gerne Pflanzen mit silbergrauen Blättern gepflanzt. So wie den Woll-Ziest (Stachys byzantina), dessen Blätter nicht nur von ihrer Form her an Hasenohren erinnern. Sie sind von einem Flaum feiner Härchen überzogen, fühlen sich kuschelweich an und sind somit nicht nur optisch, sondern auch von ihrer Oberfläche her etwas Besonderes. Ungewöhnlich und für sonnige Standorte geeignet ist auch die Dreiblattspiere (Gillenia trifoliata). „Ihre Blätter verfärben sich im Herbst leuchtend kupferrot. Das wirkt wie eine geschenkte zweite Blüte und bringt Farbe ins Beet.“ Wobei auch schon ihre erste, tatsächliche Blüte im Frühsommer mit weißen Sternchen auf hohen Stielen ein Hingucker ist. Wer auf Blattschmuck setzt, entscheidet sich zum Glück nicht gegen Blüten, sondern bekommt beides.