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Die Pluspunkte
der Prärie

Wenn das Miteinander von Gräsern und Stauden Bilder von natürlicher Leichtigkeit in die Beete zaubert, bleibt der Garten bis in den Winter hinein attraktiv. Präriepflanzen sind die Protagonisten dieses Stils, der zwar angesagt, aber keine kurzlebige Mode ist.

 

Sobald der Bleiche Scheinsonnenhut seine Schirme über feinem Engelhaar aufspannt und eine spätsommerliche Brise dieses Pflanzenpaar streift, versteht jeder, warum Präriepflanzungen oft als poetisch bezeichnet werden. Die filigrane Leichtigkeit der Gräser und die Farbe der Blütenstauden strahlen subtile Schönheit aus. Solche Beete kommen ohne pompöse Effekte aus und ziehen dennoch den Blick auf sich. Auch wenn diese Pflanzungen mit leichter Hand komponiert wirken, steckt dahinter Wissen samt praktischer Erfahrung.

Den Garten einfach sich selbst überlassen und warten, bis er aussieht wie ein gestaltgewordenes Stück Natur? Das funktioniert in Mitteleuropa nur, wenn Wald statt Prärie gewünscht wird. Der offene Charakter einer weiten Wiese, wie er typisch für eine Präriepflanzung ist, erfordert Planung und Pflanzenkenntnis. Diese Sorgfalt lohnt sich aber, denn bei fachgerechter Anlage bleibt der Aufwand für die Pflege überschaubar: Die Eigenschaften typischer Präriepflanzen passen gut zu den Herausforderungen des Klimawandels.

Was Präriepflanzen brauchen

Viel Sonne ist für sämtliche Präriepflanzen lebenswichtig, was angesichts ihrer natürlichen Heimat kein Wunder ist: Die weiten Wiesenflächen Nordamerikas werden nicht von Bäumen beschattet. Eine trockene Angelegenheit sind die aus Gräsern und Stauden komponierten Beete aber keineswegs. Im Garten werden vor allem die Arten der Hochgrasprärien gepflanzt, und diese Flächen sehen durchaus vital aus, erzählt Peter Sturm, Gärtner von Eden aus Euskirchen: „Solche Prärien sind keine verdorrten, farblosen Öden. Sie sind voller farbenfroher Stauden und mehrjähriger Gräser. Diese Pflanzen überstehen eine Trockenperiode problemlos. Sie sind stresstolerant, anpassungsfähig und deshalb gewappnet für den Klimawandel.“ Diese Vielseitigkeit macht sie für die Zukunft interessant, denn Starkregen dürfte ebenso zunehmen wie Hitzeperioden.

Die tendenziell nährstoffreichen Gartenböden sind auch kein Problem – ganz im Gegenteil, ergänzt Sturm: „Präriestauden und Gräser lieben fruchtbare Böden. Das heißt, der Boden muss zwar durchlässig sein, aber nicht abgemagert werden.“ Eine gute Nachricht, die diesen Stil so praktikabel für viele Gärten macht. Hinzu kommt die Frosthärte der Pflanzen. Denn Klimawandel bedeutet nicht, dass die Zukunft den mediterranen Pflanzen gehört.

 

 

 

Peter Sturm

„Die Pflanzen sind stresstolerant, anpassungsfähig, und deshalb gewappnet für den Klimawandel.“

Dass Minusgrade für Präriepflanzen kein Problem sind, ist für Hannes Eder, Geschäftsführer von Eder Gartenarchitektur aus Kundl in Tirol, wichtig. Er gestaltet und baut Gärten zwischen Kitzbühel, Innsbruck und München. In dieser Region sind die Winter vergleichsweise hart, und auch er hat positive Erfahrungen mit Präriepflanzungen gemacht: „Gräser liegen ja schon seit Jahren im Trend und zusammen mit den Stauden kommt nicht nur Farbe, sondern auch Leben in den Garten. Damit meine ich, dass ihre Blüten bienenfreundlich sind, und das wird immer wichtiger.“ Außerdem schätzt er den Charakter dieser Beete: „Sie strahlen Natürlichkeit und Geborgenheit aus.

Wenn der Wind das Gras bewegt, wirken sie fast ein wenig verwunschen.“ Damit diese Poesie den Garten prägt, brauchen Präriebeete vor allem Fläche, erzählt Eder: „Sie lassen sich zwar in kleinen Gärten verwirklichen, aber das Bild hat bei großflächigen Bepflanzungen einfach eine bessere Fernwirkung.“ Je mehr Platz, desto besser, findet auch Peter Sturm: „Auf größeren Flächen vermitteln Präriebeete das Gefühl von Weite und Freiheit. Alles wirkt so einfach.“ Damit es nicht nur einfach wirkt, sondern auch ist, kommt es auf standortgerechte Pflanzen an.

Im Herbst in Hochform

Präriebeete passen auch zum gestiegenen Bedürfnis, den Garten das ganze Jahr über zu genießen. Ihre Schönheit trägt über Wochen und Monate hinweg. Manche Gräser, allen voran die Rutenhirse (Panicum virgatum ‘Shenandoah’), bieten eine intensive Herbstfärbung und ab dem Spätherbst zeichnen sich Präriebeete dadurch aus, dass sie von Raureif überzuckert wie Skulpturen wirken. Das gilt sowohl für die Gräser als auch für die Samenstände der Stauden. Abgeschnitten werden diese erst im Frühjahr. Bis die Prärie dann wieder aufblüht, dauert es meist bis zum Hochsommer.

Doch es gibt eine Möglichkeit, früher für Farbe zu sorgen. Hannes Eder empfiehlt Zierlauch, den er schon im Herbst in die Lücken zwischen Gräsern und Stauden pflanzt. Peter Sturm setzt ebenfalls auf Zwiebelpflanzen, wie die Prärielilie (Camassia cu-sickii). Sie blüht in Blau oder Weiß ab April und im Mai. In ihrer nordamerikanischen Heimat taucht sie ganze Wiesen in diese Farben. Die Gattung Camassia hat den Vorteil, dass sie ebenso robust wie die meisten Präriepflanzen ist und Jahr für Jahr zuverlässig wiederkommt. Ist sie verblüht, überlässt sie die Bühne wieder den späten Stauden und Gräsern.

Hannes Eder

„Auf größeren Flächen vermitteln Präriebeete das Gefühl von Weite und Freiheit.“

Die Protagonisten der Prärie

Viele der in Nordamerikas Prärien heimischen Pflanzen sind vertraute Klassiker: Astern, Sonnenhut oder Sonnenbraut wurden bisher nur anders inszeniert – häufig am Rand von Bauerngärten. Seinerzeit meist als Schnittblumen genutzt, wirken sie heute durch die Kombination mit Gräsern naturnah und spielerischer als in einer Rabatte. Dabei ist Gras nicht gleich Gras, was schon ein Blick auf die Favoriten der beiden Profis beweist: Kerzengerades Sandrohr (Calamagrostis x acutiflora ‘Karl Foerster’), überhängendes Engelhaar (Nasella tenuissima) oder die filigranen Blütenstände des Tropfengrases (Sporobolus heterolepis) lassen erahnen, wie groß die Vielfalt dieser für Präriebeete unverzichtbaren Pflanzengruppe ist.

Bei den Blütenstauden sorgen neben den erwähnten Klassikern Stauden-Sonnenblumen wie Helianthus giganteus ‘Sheila’s Sunshine’ für Farbe. Mit einer Wuchshöhe von bis zu drei Metern gehört sie zu den Riesen. Dass die Prärie nicht nur gelb, sondern auch blau, violett oder weiß aussehen kann, zeigen die Stauden, die Peter Sturm besonders gerne verwendet: Er setzt zum Beispiel die Blaunessel (Agastache rugosa), den mit Astern verwandten Feinstrahl (Erigeron speciosus) oder den Scheinsonnenhut (Echinacea ‘White Swan’) ein. Auch die Witwenblume (Knautia macedonica) hat sich bei ihm bewährt. Ihre purpurfarbenen Blüten scheinen über den Gräsern zu schweben. Dass sie nicht aus Nordamerika, sondern dem Balkan stammt, macht sie nicht weniger geeignet: Im Garten geht es nicht um eine strenge botanische Sortierung, sondern um die Atmosphäre einer Prärie.