TEXT   Christiane Stoltenhoff

Es gehört eindeutig zu den Lieblingsbeschäftigungen von Gartenenthusiasten, über andererleuts Zäune und Mauern zu schauen, und sich an planerischen Raffinessen und liebevoll durchdachten Details zu erfreuen. Doch um wie Vieles größer wird dieses Vergnügen noch, wenn man neben dem wunderbaren Ist-Zustand auch Einblicke bekommt in die Historie des Gartens? Eine Vorher-nachher-Geschichte. 

So weit, so durchschnittlich: 190 Quadratmeter Wohngarten, umgeben von größeren Wohnblöcken und Einfamilienhäusern – typische Bebauung in einer Schweizer Kleinstadt – verdichtet, aber nicht urban. Hinter dem Grundstück ein gut frequentierter Spazierweg. Der Garten selbst: Wiese, mehrere größere Bäume, Kirschlorbeerhecke, Sitzplatz. Das war die Situation, die Martin Müller und sein Team vorfanden, als sie den Auftrag bekamen, den Familiengarten neu zu gestalten. Vorgaben der Bauherren? Keine! Also ging Gartengestalter Müller frisch ans Werk, entwickelte verschiedene Ideen, die er der Familie vorstellte und destillierte aus seinen Vorschlägen, deren Änderungswünschen und dem Erhaltenswerten aus dem alten Garten ein Konzept für eine grundlegende Umgestaltung.

Das Runde ersetzt das Eckige

Vor der Umgestaltung prägten gerade Linien den Bereich rund um den Sitzplatz, die den ohnehin schmalen Bereich zwischen Haus und Hecke optisch noch enger erscheinen ließen. Heute ziehen sich organische Schwünge konsequent durch den gesamten Garten. Der Bodenbelag des Sitzplatzes am Haus wurde im Kern erhalten, in seinen Außenlinien aber dem neuen Konzept angepasst.

Vorher/Nachher

In leichtem Bogen führen nun Schrittplatten aus Tessiner Gneis, die ebenfalls aus dem Bestand stammen, zum neu geschaffenen Hauptsitzpatz schräg gegenüber von der alten Terrasse und schaffen so eine stilsichere Verbindung zwischen beiden, Altem und Neuem.

So schön kann Sitzen sein

Der neu geschaffene Loungesitzplatz ist das Herzstück des Gartens. Hier kulminieren sämtliche Grundideen der Planung zu einem vollkommen individuellen Bereich mit höchster Aufenthaltsqualität. Sämtliche Gestaltungselemente setzen konsequent auf organische Formen, die Materialwahl ist vielfältig, aber stringent, die Bepflanzung abwechslungsreich, aber so zurückgenommen, dass sie den Gartenbewohnern genug Raum lässt

Vorher/Nachher

Multifunktionales Mauerwerk

Stilbildend für den Loungessitzplatz und damit für den ganzen Garten ist eindeutig die Mauer aus Luserna-Gneis. Im Stile einer Trockenmauer, aber durch das regelmäßige Fugenbild doch ganz gradlinig, verkörpert sie wunderbar den Grundgedanken des Gartenplans, Natürlichkeit modern zu interpretieren. Funktional ist diese Mauer ein echter Tausendsassa, denn sie dient weit mehr Zwecken, als lediglich dem Sofa Rückendeckung zu bieten. Hinter ihr verläuft direkt die Grundstücksgrenze und parallel zu dieser ein viel genutzter Spazierweg. So nah am öffentlichen Raum dennoch ein Maximum an Privatsphäre schaffen zu wollen, war ein Grund für den Planer, hier eine Mauer zu errichten. So ist sie Sicht- und Lärmschutz zugleich. Außerdem speichert sie die Sonnenwärme und sorgt bis in die Abendstunden für Wohlbefinden bei den Nutzern der Loungeecke.

Damit die immerhin doch recht hohe und in Relation zur Grundfläche des Gartens auch recht breite Mauer nicht zu massiv wirkt, griff Martin Müller gleich dreifach in die Trickkiste: Zum einen nimmt der geschwungene Grundriss der Mauer die Schwere. Zum anderen sorgt die integrierte Holznische nicht nur für praktischen Stauraum, sondern auch für eine sinnreiche Unterbrechung in der Steinfront. Und schließlich rahmte der Planer die Mauer mit Thujen ein, die für einen ebenso blickdichten wie lebendig-immergrünen Übergang des gemauerten in den gepflanzten Sichtschutz sorgen.

Absolutes Einzelstück

Individueller geht’s kaum. Zwar skizzierte Martin Müller das vorgesehene Wasserbecken in seiner Grundform schon vorab im Gartenplan, doch seine finale Ausformung erhielt es tatsächlich erst vor Ort beim Einbau. Die Stahlplatten des Beckens wurden auf der Baustelle zurechtgebogen und verschweißt. So entstand ein keiner geometrischen Regel folgendes Einzelstück, das sich in die Rundung der Mauer schmiegt und perfekt in die Linienführung des Gartens eingliedert. Die ebenfalls aus Stahl gefertigten Ausläufe verzahnen Becken und Mauer endgültig und die Stahlbänder der Beeteinfassung führen Material und Formensprache durch den ganzen Garten fort.

Durchlüften

Vor der Umgestaltung drohte der mit 190 Quadratmetern ohnehin nicht besonders große Garten unter seinem wild wuchernden Pflanzenbestand zu ersticken. Deshalb musste ein Gutteil der Pflanzen weichen. Allen voran traf es die vollkommen aus der Form geratene Hecke aus Kirschlorbeer. In den neuen Garten übernommen wurden hingegen ein Amberbaum und ein Japansicher Ahorn, die in ein strukturiertes Pflanzkonzept integriert wurden. Das setzt durchaus auf Abwechslung, bleibt aber dezent, so dass bei aller grünen Vielfalt nicht mehr der Eindruck des Überfrachtet-Seins entstehen kann.

Vorher/Nachher

Thujen und mit Efeu berankte Gitter bilden nun eine schlanke, immergrüne Abgrenzung des Grundstücks nach außen, Tellerhortensien, Pfingstrosen, Lavendel und Schneeball setzen dezente Blütenakzente und ein Perückenstrauch sorgt mit seinem tief dunkelroten Laub für einen interessanten Kontrapunkt zum vorherrschenden Grün. Auf einem weiteren gekiesten Sitzplatz spendet eine Schirmplatane lichten Schatten.

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