TEXT   Stefanie Syren

Wenn der Spätsommer in Herbst und Winter übergeht, wiegen sich Herbstanemonen und Lampenputzergras im Wind. Die Samenstände der Sonnenhüte verraten, dass es hier vor ein paar Wochen ebenfalls prächtig ausgesehen haben muss. Alles wirkt so selbstverständlich, als ob Mutter Natur an dieser Stelle ihr Füllhorn besonders verschwenderisch geleert hätte. Dabei steckt gerade hinter natürlichen Bildern wie diesem meist ein professionelles Pflanzkonzept.

Ein Plan, das klingt nicht besonders sinnlich. So etwas macht man für die Terrasse und die Müllhäuschen, aber die Pflanzungen? Die könnte man ja einfach aus dem Bauch heraus mit leichter Hand komponieren. Stimmt – sofern man Noten lesen kann. Übertragen auf den Garten bedeutet das: Wer die Pflanzen, ihre Ansprüche und ihre Wuchsformen gut genug kennt, kann sie so zusammenstellen, dass stimmige Bilder entstehen. Damit sich diese Harmonie nicht rein zufällig und vielleicht nur für wenige Tage im Jahr einstellt, braucht man ein Konzept. So kann man mit Pflanzen Bilder malen und dabei den Überblick behalten.


Ueli Leuthold
»Bevor ich plane, muss ich wissen, was sich mein Kunde wünscht, und natürlich den Bestand anschauen.«
Wunsch und Wirklichkeit versöhnen

Wer den Garten zwölf Monate im Jahr genießen möchte, braucht Wissen und Erfahrung. Pflanzenverwendung ist die hohe Schule der Gartenkunst, der Garten die Leinwand und das Konzept der obligatorische Skizzenblock. Professionelle Gärtner pflanzen nicht spontan, sondern gehen ihre Aufgabe strukturiert an. Zumal ein gutes Pflanzkonzept je nach Garten unterschiedlich aussehen kann. Die Geschmäcker und Standorte sind schließlich verschieden, erzählt Ueli Leuthold, Gärtner von Eden aus Oberrieden im Kanton Zürich: „Bevor ich plane, muss ich wissen, was sich mein Kunde wünscht und natürlich den Bestand anschauen. Heute fahre ich zum Beispiel noch in einen Garten mit großen Buchen. Sobald das Laub ausgetrieben ist, werfen die Bäume ihren Schatten auf den Garten. Falls sich nachher herausstellt, dass sich die Besitzer einen mediterranen Garten wünschen, habe ich natürlich ein Problem.“

Die Wünsche in Einklang mit den Gegebenheiten zu bringen, das gehört zu den täglichen Aufgaben eines Gartengestalters. Denn ein gutes Konzept muss sich umsetzen lassen. Wenn der Standort nicht zu den Pflanzen passt, ist auch der schönste Plan wertlos. Dementsprechend sieht Ueli Leuthold vor seinem geistigen Auge einen verwunschenen Garten mit Hänge- und Wald-Seggen entstehen. Lavendel oder Rosmarin würde er jedenfalls nicht unter die sehr schönen und Jahrzehnte alten Buchen  pflanzen. Sie würden nicht zum Charakter des Gartens passen und im Schatten nicht länger als einen Sommer halten. Bernhard Roth, Gärtner von Eden aus Fürstenzell bei Passau geht ebenfalls pragmatisch vor und sammelt vor der Planung Informationen: „Ich frage immer nach Lieblingspflanzen und nach der Atmosphäre, die eine Pflanzung ausstrahlen soll. Vorlieben für bestimmte Farben sind mir auch wichtig. Danach geht es darum, was sich umsetzen lässt und was nicht.“


Bernhard Roth
»Ich erkläre meinen Kunden, wie sich Pflanzen voraussichtlich entwickeln
werden.«
Perspektiven aufzeigen

Ein guter Pflanzplan sollte nicht nur ehrlich sein und zum jeweiligen Standort passen, er sollte  auch so konzipiert sein, dass der Garten zu allen Jahreszeiten attraktiv und die Pflanzung harmonisch wirkt: Gehölze, die dem Beet eine Grundstruktur verleihen, werden zuerst in den Plan gezeichnet. Später werden große und auffällige Leitstauden wie Rittersporn oder auch hohe Gräser und niedrigere, polsterbildende Begleitstauden wie der Storchschnabel eingezeichnet. Dabei sollte der Plan keine Momentaufnahme sein, sondern zeigen, wie sich die einzelnen Gewächse entwickeln werden. Mag sein, dass ein Haselnussstrauch zum Zeitpunkt der Pflanzung nur rund 50 Zentimeter breit ist - in einem Pflanzplan wird er dennoch mit einem Durchmesser von rund vier Metern eingezeichnet werden.

Zu dichtes Pflanzen gehört gerade bei Gehölzen zu den häufigsten Fehlern, die gemacht werden, wenn ohne Plan gepflanzt wird. Bernhard Roth hat bei seinen Pflanzkonzepten die Zukunft im Blick: „Ich erkläre meinen Kunden, wie sich Pflanzen voraussichtlich entwickeln werden und berücksichtige dabei auch die natürliche Dynamik und das Wuchsverhalten der Arten. Das bedeutet nicht, dass ich konkurrenzstarke Arten zwangsläufig weglassen muss, sondern es kommt darauf an, was die Pflanzung leisten muss. Bei flächendeckenden Begrünungen sind solche Bodendecker, die das Unkraut unterdrücken, sogar gefragt und werden deshalb eingeplant.“

Einen entscheidenden Nachteil hat allerdings auch ein guter Pflanzplan: Er ist eine schematische Draufsicht und hilft zwar dabei, die Stückzahlen der Pflanzen zu kalkulieren, ist aber eine eher sachliche Angelegenheit. Erlebt und betrachtet wird der Garten schließlich nicht aus der Vogelperspektive. Für den Planer geht es deshalb auch darum, das Konzept in Bilder zu übersetzen, die jeder sofort versteht. Ueli Leutholds Technik funktioniert immer und überall, ganz ohne Stromanschluss: „Wenn ich mit den Kunden im Garten stehe und eine Idee habe, greife ich zu Papier und Bleistift und mache eine Skizze. Das passiert mittlerweile schon ganz automatisch.“ Mit einer skizzenhaften Ansicht lassen sich Größen und Proportionen der Pflanzen darstellen und die Atmosphäre des Gartens darstellen. Der Pflanzplan ist dann die sachliche und verständliche Arbeitsgrundlage für die Profis und gibt Auskunft darüber, wohin wie viele Exemplare der jeweiligen Art oder Sorte gepflanzt werden, und die Skizze macht diesen Plan räumlich erlebbar.

Ein Plan ist nur so gut wie die Pflege

Damit das Konzept tatsächlich zum Leben erweckt wird und es nicht bei Plänen und Skizzen bleibt, ist nach der Pflanzung die regelmäßige Pflege Pflicht. Ueli Leuthold und Bernhard Roth werden von der Mehrheit ihrer Kunden nach der Planung auch mit der Pflege beauftragt. Der Pflanzplan ist auch dann noch nützlich und gibt Auskunft, ob eine Art im Laufe der Jahre zurückgegangen ist oder sich ausgebreitet hat. Bei Bedarf kann die Pflanzung dann ergänzt oder verändert werden.

Ein Garten ist schließlich nie fertig, ändert sich jedes Jahr ein klein wenig und ist - allen Plänen zum Trotz – immer für Überraschungen gut. Manchmal schlummern unter der Erde zum Beispiel noch Zwiebeln, die gar nicht zur Planung passen, erzählt Bernhard Roth: „Ich hatte für einen Kunden ein Konzept in Weiß und Lila ausgearbeitet und im April standen dann quietschgelbe Tulpen im Beet.“ Solche Kleinigkeiten kann man mit Humor nehmen und mit der Gartenschere pragmatisch lösen: In der Vase macht sich ein üppiger Strauß sonnengelber Tulpen schließlich ausgezeichnet.

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