TEXT   Christine von Welck

Sie wird Erdapfel, Krumbeere oder Grundbirne genannt: die Kartoffel. War sie lange Zeit einfach nur die Sättigungsbeilage, der Underdog aus der Nachkriegsküche, erfährt sie gerade eine kulinarische Renaissance, und auch abseits des Tellers liefert die nahrhafte Knolle reichlich Futter für reichhaltige Geschichten. Also ran an die Kartoffel!

Blauer Schwede! – Nein, das ist kein Ausruf der Verwunderung, sondern der Name einer alten Kartoffelsorte – eine von rund 5.000, jede mit ihrem ganz eigenen Profil ausgestattet. Die Geschmacksnuancen der diversen Kartoffelsorten reichen von vollmundig über buttrig, nussig, erdig bis hin zu süß. Deswegen entscheidet nicht in erster Linie die Zubereitungsart über den Geschmack eines Kartoffelgerichts, sondern die Wahl der Kartoffelsorte. Da gibt es Kartoffeln mit roter und gelber Schale, mal länglich, mal rund oder oval. Extravagant sind die blauen Kartoffeln oder die mit lila Fruchtfleisch. Obwohl es eine solche Vielfalt an Kartoffeln gibt, haben sich im Handel nur wenige Sorten durchgesetzt. Im modernen Ackerbau mit Zucht- und Handelsgesellschaften ist es wirtschaftlicher, mit wenigen Sorten zu arbeiten. Nur solche, die reiche Erträge versprechen und industriell gut verwertbar sind, werden im großen Stil angebaut. Bio-Landwirte und Liebhaber sorgen aber dafür, dass auch seltene Sorten auf den Markt kommen.

Karsten Ellenberg ist ein solcher Liebhaber alter Sorten. Auf seinem Hof in der Lüneburger Heide baut er mehr als 100 Sorten an. Bundesweite Bekanntheit erlangte er als einer der Wortführer im Streit um die beliebte Kartoffelsorte "Linda". Diese sollte, wenn es nach dem Willen der Züchterfirma Europlant gegangen wäre, kurz vor Ablauf der 30-jährigen Schutzfrist vom Markt verschwinden. Ellenberg und der „Freundeskreis Linda“ beantragten die Wiederzulassung der Sorte. Nach mehrjähriger Auseinandersetzung gewannen schließlich die Kartoffelrebellen, und Linda ist in Deutschland wieder zugelassen. Rechteinhaber ist nun Karsten Ellenberg, der die typische Heidekartoffel anbaut und vermehrt. Daneben dreht sich auf dem Hof bei Lüneburg alles auch um andere krumme, bunte Knollen mit wohlklingenden Namen wie Oskar, Heiderot oder Schwarze Ungarin.

Kartoffel – eine Pflanze mit Stärke

Trotz eines weitgehend von industriellen Produktionsmethoden bestimmten Angebots gibt es deutliche regionale Unterschiede, was die Beliebtheit einzelner Kartoffelsorten angeht. So sind dann auch Juliane, Melina und Damaris nicht etwa die beliebtesten Mädchennamen 2016, sondern allesamt wohlschmeckende, aber recht unterschiedliche Kartoffelsorten mit jeweils eigener Fangemeinde. Und die Fans wissen, worauf es ankommt: auf die Kocheigenschaft. Für Norddeutsche darf die Kartoffel ruhig festkochend sein, wie Juliane, denn dann eignet sie sich hervorragend für Bratkartoffeln und Kartoffelsalat. Der Ostdeutsche hingegen liebt Klöße und cremige Kartoffelsuppe und steht deshalb eher auf Melina. Denn für Thüringer Kartoffelklöße zum Beispiel sollten unbedingt mehlig kochende Kartoffelsorten zum Einsatz kommen. So liegt der Anteil der mehlig kochenden Kartoffeln im Osten der Republik bei 30 Prozent, während er im Rest des Landes bei unter zehn Prozent rangiert.

Aber was bedeuten die unterschiedlichen Kocheigenschaften eigentlich? Die Unterteilung von Kartoffeln in festkochend, vorwiegend festkochend und mehlig kochend hängt mit dem Stärkegehalt der Knollen zusammen. Je höher der ist, desto trockener, mehliger und grobkörniger die Konsistenz. So liegt der Stärkegehalt bei den mehlig kochenden Kartoffeln bei ca. 16,5 Prozent. Festkochende Knollen dagegen haben im Durchschnitt gerade einmal 14 Prozent und sind dadurch schnittfester und feuchter. Und der Blaue Schwede? Der rangiert zwischen fest- und mehligkochend, ist aber schon allein wegen seines bläulich violetten Fruchtfleischs ein attraktiver Gast.

Dauerbrenner: Rund 45 Kilogramm Kartoffeln pro Kopf und Jahr verzehren die Schweizer, noch rund zehn bis 15 Kilo mehr die Österreicher und die Deutschen – oft als Salzkartoffeln, doch mehr und mehr auch in anderen Zubereitungsarten.

Gestampft

Besonders beliebt – und dies nicht nur bei Kindern – ist das Kartoffelpüree. Wer einmal cremiges Kartoffelpüree selbst zubereitet hat, bei dem kommt nichts mehr aus der Tüte. Besonders delikat sind im Kartoffelbrei frische, zuvor karamellisierte Knoblauchzehen, glasig gedünstete Zwiebeln oder auch zerstoßenes Rosmarin. Eben alles, was gut mit Kartoffeln harmoniert, kann im Püree mit dem verfeinerten Kartoffelaroma eine besonders intensive Verbindung eingehen. Was niemals fehlen sollte: wohldosierte, frisch geriebene Muskatnuss.

Gerollt

Oder selbstgemachte Gnocchi. Keine Angst! Was sich schwierig anhört, ist in Wahrheit kinderleicht. Die gekochten Kartoffeln noch heiß durch eine Kartoffelpresse drücken, mit Eiern, Milch und Muskat zu einem Teig kneten, daraus Rollen formen und diese anschließend in kleine Stücke schneiden. Mehr Küchengeheimnis steckt nicht dahinter – außer natürlich die Rillen, aber auch die sind rasch erklärt. Sie entstehen durch den leichten Druck mit einer Gabel und dürfen auf keinen Fall fehlen. Denn durch die Rillen nimmt der kleine Kartoffelkloß besonders gut Soße auf.

Gebraten

Über die richtige Art, Kartoffeln in der Pfanne zu braten, gibt es unendlich viele Meinungen. Ob in geklärter Butter, in Schmalz oder in Olivenöl, auf jeden Fall benötigen die Kartoffelscheiben Platz. Am besten sollte jede einzeln liegen und individuell gewendet werden. Sehr aufwendig, aber enorm wirksam, denn dies führt zu einer besonders krossen und leckeren Außenkruste.

Gefächert

Wer die unkomplizierte innovative Küche liebt, der sollte einmal Kartoffelfächer ausprobieren. Geschälte Kartoffel auf einen Löffel legen und mit einem scharfen Messer dünne Scheiben soweit herunterschneiden, bis die Klinge den Löffel berührt. So schneidet man die Kartoffeln nicht ganz durch und sie bleiben wie ein Fächer zusammen. Der eigentliche Clou kommt jetzt aber erst – die Fächer wollen gefüllt werden, mit allem, was Lust und Laune macht. Ganz klassisch mediterran mit Rosmarin, Knoblauch und Olivenöl oder eher deftig mit Speck, Schmand und Frühlingszwiebeln oder puristisch mit Parmesan.

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