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(Nicht) alles im Blick

Sie spielen mit dem Blick des Betrachters, strukturieren und verbinden: Mit professionell geplanten Sichtachsen im Garten lassen sich Blickpunkte schaffen und verschiedene Elemente oder Pflanzen gezielt in Szene
setzen.

Sie ziehen den Blick in die Ferne oder leiten ihn einen bestimmten Weg entlang, vielleicht auf ein eindrucksvolles Objekt zu, sie täuschen Tiefe oder Nähe vor und machen neugierig auf nicht einsehbare Bereiche. Zu einer guten Gartenplanung gehört für den Profi auch immer, sich Gedanken über Blickbeziehungen zu machen. „Sichtachsen, als geradlinig angelegte Schneisen, sind ein wichtiges Gestaltungselement im Garten, um den Blick des Betrachters zu lenken“, erklärt dann auch Roland Lütkemeyer, Gärtner von Eden aus dem nordrhein-westfälischen Gütersloh. „Voraussetzung dafür ist, so banal es klingt, dass jede Achse einen Anfang und ein Ende hat. Dabei können sie gleichzeitig die Wegverbindung zum Objekt oder aber eine reine Sichtverbindung sein.“

 

 

Hier bildet ein Brunnenbecken das optische Zentrum des Gartens.

Akzente setzen

Für die Anlage einer Sichtachse ist zunächst entscheidend, von wo der Betrachter in den Garten blickt. Daher sollten die Achsen an häufig genutzten Plätzen im Garten beginnen, etwa am Sitzplatz, am Gartentor oder an der Terrassentür. „Von hier aus wird der Blick des Betrachters auf den sogenannten ‚Point de vue‘, also einen Blickpunkt am Ende der Achse gelenkt“, weiß Hans-Peter Forster aus dem schweizerischen Titterten. „Hier kann eine kunstvolle Skulptur, ein gemütlicher Sitzplatz, ein schönes Formgehölz oder ein Wasserspiel stehen, das so in Szene gesetzt wird.“ Bei der Anlage von Sichtachsen geht es also auch immer darum, verschiedene Elemente oder Garten-teile miteinander zu verbinden und den Garten zu strukturieren.

Roland Lütkemeyer

„Sichtachsen sind ein wichtiges Gestaltungselement im Garten, um den Blick des Betrachters zu lenken.“

Gestaltungstricks mit großer Wirkung

Mit einer geschickten Anlage von Sichtachsen lassen sich unterschiedliche Effekte erzielen. „Kleine Gärten kann man größer wirken lassen und ihnen mehr Tiefe verleihen, indem man die Achsen in Längsrichtung anlegt“, so Forster. Ist der Garten in eine attraktive Landschaft eingebettet, kann diese in die Gestaltung mit einbezogen werden. „Eine unsichtbare Barriere, wie ein Graben, stellt einen fließenden Übergang vom Garten in die Landschaft her und lässt diese als dessen Fortführung erscheinen“, ergänzt Lütkemeyer. „Dieses sogenannte ‚Aha‘ stammt aus dem englischen Landschaftsgarten, sein Name leitet sich aus dem Ausruf des Erstaunens der Spaziergänger ab.“ Sichtachsen können ebenfalls eine Verbindung von Innen- und Außenbereich schaffen: So kann von einem verglasten Wintergarten eine Sichtachse über die Mitte eines Pools führen, die Formensprache der Architektur aufnehmen und damit eine Verbindung von Haus und Garten schaffen.

Eine Sichtachse mit integrierter Wegführung lockt den Betrachter in die Tiefe des Gartens und sorgt dafür, dass er den Garten nicht nur visuell, sondern auch aktiv während eines Spaziergangs erkunden kann. „Der Betrachter soll sich auf eine spannende Reise auf dem Weg zum Endpunkt begeben. Für Überraschungen sorgen beispielsweise Querachsen, die sich plötzlich seitlich zur Hauptachse öffnen und den Blick auf ein Objekt freigeben, das zuvor nicht sichtbar war“, erklärt Forster. Höhere Bäume und Sträucher, Pflanzentunnel, aber auch Treppen oder Hecken sorgen für zusätzliche Gliederung, können aber auch als bewusst eingesetzte Barriere dienen, um den Blick des Betrachters zu unterbrechen und ihn zum Entdecken des Gartens einzuladen.

Die großformatigen Platten sind Treppenstufen und optische Leitlinie zugleich.

Blickbeziehungen planen

Ein Plan ist bei der Anlage eines Gartens in jeder Hinsicht hilfreich – auch mit Blick auf Sichtachsen und optische Beziehungen. Dieser Plan zeigt den Garten rechts auf dem Foto. Schon in der Planung sieht man, dass der Pool mit der umlaufenden Terrasse ein eigenständiger Gartenraum werden sollte, der sich zum Rasen hin öffnet. Dieser windet sich als grünes Band über die gesamte Grundstückslänge, die Ausbuchtungen der Beete dienen dazu, die Längsachse zu unterbrechen, um die Spannung zu erhalten.

Vielfältige Möglichkeiten

Bei der Gestaltung der Achsen selbst sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Flankierende Hecken, Mauern, Säulen oder Pflanzen stellen die Achse räumlich dar und sorgen für Dreidimensionalität. „Besonders immergrüne Pflanzen eignen sich gut, um Sichtachsen herauszubilden, da sie auch in der kalten Jahreszeit präsent sind und ein schönes Bild abgeben. Blühpflanzen setzen farbliche Akzente und sorgen mit unterschiedlichen Blühzeitpunkten durch das Jahr mit immer wieder neuen Farb- und Formkompositionen für Abwechslung“, so Lütkemeyer. Kombiniert man formal geschnittene Gehölze mit weich wiegenden Gräsern, entstehen spannende Kontraste. Eine geschickte Wahl der Blatt- und Blühfarben vergrößert den Garten dabei zusätzlich. „Dunkle Töne lassen Tiefe entstehen und sollten eher am Ende des Grundstücks eingesetzt werden. Im vorderen Bereich bieten sich dagegen helle Farben an. Wer seinen Garten optisch verkürzen möchte, setzt dagegen die dunklen Farben nach vorn und die hellen in den hinteren Gartenbereich“, rät Forster.

Sichtachsen sind das Rückgrat eines Gartens, an dem sich alles aufhängen kann. „Das Einsetzen von Blickachsen sollte jedoch nicht überreizt werden“, merkt Lütkemeyer an. „Es gilt immer nur als ein Gestaltungselement von vielen möglichen, ist abhängig vom Ziel der Gartengestaltung sowie der Formgebung des Gartens und sollte nicht zum Selbstzweck werden.“ 

Hans-Peter Forster

„Der Betrachter soll sich auf eine spannende Reise auf dem Weg zum Endpunkt begeben.“

Der große Baum im Hintergrund zieht die Blicke von der Terrasse auf sich und beschirmt gleichzeitig einen zweiten Sitzplatz.