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Steine für den Garten

Ein harmonisch gestalteter Garten ist weit mehr als eine Ansammlung von Pflanzen. Erst wenn das lebendige Grün gekonnt um weitere Elemente ergänzt wird, wird daraus ein Garten. Ganz besonders wichtig dabei: Mauern.

Auf den ersten Blick verkörpern Mauern all das, wofür Pflanzen nicht stehen: Sie sind statisch, kantig, hart, geometrisch, unbelebt und von Menschenhand errichtet. Doch vielleicht ist es gerade diese Gegensätzlichkeit, die aus Mauern und Pflanzen so etwas wie das Traumpaar der Gartengestaltung macht. Nach Meinung von Martin Otten gehören jedenfalls beide ganz nach oben auf die Liste der für einen Garten essentiellen Elemente. Der Gartengestalter aus Georgsmarienhütte im Teutoburger Wald liebt die enorme Vielfältigkeit von Materialien und Funktionen, mit denen Mauern einen Garten bereichern und ihn sogar ganz entscheidend prägen können.

Denn wenn er Gemauertes für einen Garten konzipiert, ist es ihm in den seltensten Fällen einfach darum zu tun, das Grundstück nach außen hin abzuschließen. Zwar ist die klassische Gartenmauer auch weiterhin en vogue – allein schon weil sie für Sichtschutz, Sicherheit und Beständigkeit gleichermaßen steht. Doch wer die steinernen Elemente ausschließlich entlang der Grundstücksgrenzen platziert, würde sie weit unter Wert verkaufen.

Stützen und gliedern

So sieht das auch Florian Herrhammer. Der Gartengestalter aus Heimenkirch im Allgäu setzt gemauerte Elemente in den unterschiedlichsten Varianten bei seinen Projekten ein: „Das Interessante ist, dass bei Mauern Form und Funktion fast immer Hand in Hand gehen und man deshalb ästhetische und funktionale Aspekte kaum voneinander trennen kann.“ Eine wichtige Funktion übernehmen Mauern gerade in Gegenden wie dem Allgäu, wo die wenigsten Gärten eben sind, zum Beispiel, wenn es darum geht, einen Hang abzufangen. Hier stützen sie, schützen das darunter liegende Gelände und machen eine Terrassierung und damit die Schaffung von nutzbaren Flächen überhaupt erst möglich. Gleichzeitig verschmelzen solche Stützmauern meist ganz organisch mit der Umgebung.

Doch nicht nur in hügeligem Terrain bringen Mauern Gliederung in den Garten. Auch auf ebenen Grundstücken können sie diese Funktion ganz wunderbar übernehmen, denn mit ihnen lassen sich Räume schaffen, und das ist im Garten wichtig. Ein Garten, den das Auge auf den ersten Blick in Gänze erfassen kann, langweilt schnell. Der Betrachter will neugierig gemacht und überrascht werden, erforschen und entdecken können und so braucht ein jeder Garten Gliederung – ganz unabhängig von der Grundstücksgröße. Die planerische Herausforderung besteht dann allerdings darin, das rechte Maß zu finden: „Mauern sind nun einmal massive Baukörper. Wenn man sie zur Gliederung einsetzt, kommt es darauf an, sie nicht zu mächtig wirken zu lassen, sonst übernehmen sie eine allzu dominante Rolle“, gibt Martin Otten zu bedenken. Deshalb arbeitet er zum Beispiel gern mit lediglich knie- oder hüfthohen Mauerelementen, die auch gar nicht allzu breit sein müssen. „Durch ihre Materialität sind Mauern immer sehr präsent. Da ist weniger oft mehr“, so der erfahrene Planer. Da reicht ein niedriger, quer zur Längsachse des Grundstücks platzierter Mauerriegel schon, um den Blick zu unterbrechen und dem Auge einen Anker zu geben. Und neben dieser optisch gliedernden Funktion ist damit vielleicht auch noch ein zusätzlicher Sitzplatz geschaffen, denn halbhohe Mauerelemente laden einfach zum Verweilen ein.

Andererseits kann man sich die materielle Präsenz von Mauern aber auch ganz bewusst zunutze machen, indem man verputzte Mauerelemente in einer leuchtenden Farbe streicht und sie damit – wohl dosiert – ganz bewusst als Blickfang inszeniert.

Ihre Rolle als schützendes Element übernehmen Mauern übrigens nicht nur in punkto Sichtschutz; sie können auch helfen, Umgebungsgeräusche zu reduzieren und etwa einen Sitzplatz gegen Wind abzuschirmen.

Martin Otten

„Durch ihre Materialität sind Mauern immer sehr präsent.“

Vielseitig verwendbar

Überhaupt gehört es zu den unerhörten Vorzügen von Mauern, dass sie bei geschickter Planung und fachkundiger Ausführung nicht auf eine Funktion beschränkt bleiben müssen. Dem Nachwuchs können sie als Klettergrund und Aussichtsplattform dienen, allerlei Kleintiere finden in ihren Ritzen ein Zuhause und der Fachmann kann sie auch so anlegen, dass sich ihre Fugen gezielt und sehr dekorativ begrünen lassen. „Dadurch, dass Stein Wärme speichert, haben Mauern auch Einfluss auf das Mikroklima im Garten“, erläutert Florian Herrhammer eine weitere Eigenschaft, die er sich beim Planen von Mauern gern zu Nutze macht. „Das mögen nicht nur Katzen und Eidechsen, sondern auch für Menschen kann das durchaus angenehm sein.“ So platziert, dass sie ab dem Nachmittag voll besonnt wird, ist eine Mauer der ideale Hintergrund für einen gemütlichen Abendsitzplatz. Wer hier zum Sundowner Platz nimmt, wird noch lange eine wohlige Wärme im Nacken spüren. Und auch ihre psychologische Wirkung kann eine Mauer hier voll entfalten, gibt sie doch im wahrsten Sinn des Wortes Rückendeckung und vermittelt Schutz.

Wandlungsfähig

Ästhetisch passen Mauern in jeden Garten – einfach, weil Mauer nicht gleich Mauer ist und sie sich je nach Materialwahl, Oberflächenbeschaffenheit, Steinformat und Ausführung problemlos im Stil des jeweiligen Gartens ausgestalten lässt. Bruchraue Oberflächen und unregelmäßige Formate passen bestens in naturnahe oder auch genussorientierte Gärten, deren Besitzer einen Blick für besondere Details haben. Betonstein unterstreicht den architektonischen Charakter einer Anlage, und wer auf großformatig gegossene Sichtbetonelemente setzt, gibt endgültig ein Bekenntnis zu geradlinigem Design und klaren Formen ab. Stilistisch besonders breit ist das Einsatzspektrum von Klinker; die Ziegel können sowohl rustikal ländliches als auch modern urbanes Flair vermitteln.

Dabei ist die Entscheidung, ob eine Mauer aus Naturstein, Klinker oder Betonstein errichtet wird, auch davon abhängig, wo sich ein Garten befindet. „Stein ist immer eine gute Möglichkeit, Regionalität in den Garten zu bringen“, bringt es Florian Herrhammer auf den Punkt. „Und regionale Materialien sind derzeit zum Glück auch wieder sehr gefragt.“ Die regional verfügbaren Baustoffe prägen das Bild einer Gegend seit jeher. Zwar ist in Zeiten der Globalisierung de facto überall alles verfügbar, doch im Sinne kurzer Transportwege und harmonischer Gestaltung empfehlen Gartengestalter wie Martin Otten, auf regionale Materialien zu setzen: „Das ist bei uns aufgrund der fehlenden Natursteinvorkommen natürlich etwas schwierig. Wir arbeiten viel mit Hohllochziegeln, die wir dann verputzen oder verkleiden.“

Ebenfalls typisch für die nördliche Hälfte Deutschlands sind Klinker. Eine regionale Spielart der Mauer ist auch der so genannte Friesenwall, ein Trockenmauerwerk, bei dem Findlinge und Geröll zu einer Mauer aufgeschichtet werden – eine handwerklich ebenso anspruchsvolle wie ästhetisch ansprechende Technik. Weiter südlich bei Florian Herrhammer ist – wie überall um die Mittelgebirge und rund um die Alpen –  der Baustil von den jeweiligen Natursteinvorkommen geprägt, und das schlägt sich natürlich auch in der Gartengestaltung nieder, denn eine gute Planung zeichnet sich immer dadurch aus, dass sie den Garten harmonisch mit der Architektur des dazugehörigen Wohnhauses verbindet.

Eine Mauerkrone muss nicht immer auf einem Niveau verlaufen. Die abgestufte Bauweise unterstreicht dezent das Leitmotiv des Gartens, seine unterschiedlichen Ebenen. Der Wasserauslauf und die verschiedenen Steinformate lockern die Mauerfläche zusätzlich auf.
Kombiniert mit Blockstufen und Formgehölzen wirkt eine Natursteinmauer modern und naturnah gleichermaßen.
Typisch: Klinker sind in Norddeutschland stilbildend.

Steine und Grün

Dieses Harmonieprinzip bezieht sich natürlich auf die Komposition der ganzen Anlage und entsprechend muss das Augenmerk des Planers immer auch darauf gerichtet sein, bauliche Elemente wie eben Mauern auch mit der Bepflanzung in Einklang zu bringen. „Mauern lassen Pflanzen anders wirken, können sie zum Beispiel wunderbar betonen und tolle Effekte erzielen, etwa, wenn man einen rotlaubigen Ahorn vor einer weißen Wand platziert“, erklärt Martin Otten. Aber natürlich hat man es hier mit einem Wechselspiel zu tun, denn auch Pflanzen verändern den Effekt von Mauern, nehmen ihnen die Schwere und sorgen dafür, diese Bauwerke in das natürliche Umfeld zu integrieren.

 

Das gelingt vor allem dann gut, wenn die Mauer selbst zum Pflanzgrund wird oder, wenn sie ganz selbstverständlich als Bestandteil eines Pflanzarrangements konzipiert ist, etwa als Einfassung eines Hochbeetes, als berankter Sichtschutz oder zur optischen Trennung zwischen Zier- und Nutzgarten. Die Möglichkeiten jedenfalls, die Traumpaarqualitäten zwischen Gemauertem und Gepflanztem in einem Garten auszuspielen, sind nahezu unerschöpflich.