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Fifty Shades of Green

Bei Farbe im Garten gilt der erste Gedanke den Blüten. Die Blätter und damit das Grün liefert jede Pflanze automatisch mit. Dabei bietet dieser als selbstverständlich hingenommene Ton so viele Nuancen, dass er eine tragende Rolle in den Beeten verdient.

Das Gleiche in Grün – klingt langweilig, ist aber alles andere als eintönig: Ob silbrig schimmerndes Graugrün, zartes Mint, warmes Oliv oder ein dunkles Tannengrün – die Liste ließe sich fortsetzen. Zum Glück, denn somit sind die Gestaltungsvarianten in Grün vielfältig. Um sie im Garten umzusetzen, braucht es keinen Farbfächer, sondern Gartenprofis, denen nicht nur die Vielfalt der Grüntöne im Pflanzenreich bewusst ist. Sie kennen außerdem die Ansprüche der Arten und wissen, wie sie mit grün getönten Blättern Stimmung machen. Welche das ist? Meist eine entspannte, kontemplative. Diese angenehm unaufgeregte Ausstrahlung passt zu jedem Stil, und die Dosis ist so individuell wie der jeweilige Garten. Ob sich nur ein Teil oder der ganze Garten ausschließlich in Grün zeigt oder die Farbe abhängig von der Jahreszeit mehr oder weniger stark präsent ist: Die Wünsche sind verschieden und sie lassen sich erfüllen – denn die Vielfalt gestalterischer Möglichkeiten ist ebenso vielfältig wie die Grüntöne.

Basis für Blüten

Ein Garten in Weiß, eine Rabatte in Rot, Beete in Blau-, Rosa- oder Mauvetönen: alles durchaus üblich. Gartenprofis erfüllen diese Wünsche gerne. Was meist vergessen wird: Natürlich bringt jedes dieser Konzepte ganz automatisch auch den Farbton Grün mit in den Garten. Ohne diesen steten Begleiter würde die bunte Pracht förmlich verpuffen. Manche Pflanzen liefern die grüne Leinwand gleich mit: Die gelbgrünen Blüten des Frauenmantels scheinen über dem bodendeckenden Laub zu schweben. Auch der Storchschnabel trägt seinen Flor in diversen Farben über kompakten, grünen Polstern.

Andere Hauptdarsteller wie die Rosen sind zwar ihrer Blüten wegen gefragt, profitieren aber von Pflanzpartnern in Grün. Michael Buseman, Geschäftsführer des Gärtner-von-Eden-Betriebs Terra baut Gärten in Viersen, sieht in den Blättern trotzdem mehr als die bloßen Begleiter der Blüten: „Ich achte bei der Auswahl von Pflanzen immer auf die Grüntöne der Blätter. Meist prägen sie das Beet viel länger als die Blüten. Allein das macht sie wertvoll.“ Auch Christian Bahl, Inhaber von Bahl Gärtner von Eden aus Kiebitzreihe bei Hamburg, schätzt die Facetten dieser Farbe. Sie vernachlässigen oder gar vergessen? Das kann er sich nicht vorstellen. Als Profi muss er nicht eigens darum gebeten werden: „Grüntöne und Blattschmuck sind für mich immer ein unverzichtbarer Bestandteil der Pflanzplanung.“

Dass der Blick trotzdem auf die Blüten und deren Farben gelenkt wird, ist kein Widerspruch, sondern eine der vielen Aufgaben, die Grün übernimmt. Bei einer Rose könnten Purpurglöckchen (Heuchera) die Leinwand für Blüten bilden. Deren Sortenvielfalt ist in den letzten Jahren rasant gestiegen: Ihr Grün ist von frischem Limone bis hin zu geheimnisvollen dunklen Nuancen mit einem hohen Rotanteil zu haben. Für die Profis kommt es angesichts der Möglichkeiten nicht darauf an, ob sie Grün verwenden, sondern wie.

 

Gestalten mit Grün

Die Farbe steht zwar für Understatement – einfach draufloszupflanzen, ist trotzdem keine Option. Auch Grün braucht ein gestalterisches Konzept. Für Michael Busemann ist die Suche nach der Kernidee der Schlüssel zum grünen Glück: „Ich frage mich, welche Stimmung das Beet vermitteln soll und wie der Garten aussieht. Gestalte ich eine schattigere Zone, verwende ich zum Beispiel keine Stauden mit sehr dunklem Laub.“ Die könnten im Schatten deprimierend wirken, obwohl sie bei Licht betrachtet großartig aussehen. Der Schlangenbart (Ophiopogon planiscapus) der Sorte ‘Niger’ ist mit seinen schwarzgrünen Halmen dafür ein gutes Beispiel. Busemann verwendet ihn zwar gerne, gibt ihm aber lieber einen Platz im zumindest hin und wieder sonnigen Halbschatten. In dunklen Lagen sind hellgrüne Pflanzen oder Blätter, die Lichtreflexe in den Schatten zaubern, besser geeignet.
Christian Bahl zählt aus diesem Grund das Kaukasus-Vergissmeinnicht (Brunnera macrophylla) der Sorte ‘Jack Frost’ zu seinen Favoriten. Das silbergrüne Blatt ist mit seinen dunklen Blattadern ein Hingucker und wertvoller Kontrastgeber. Zu heftig sollten die Gegensätze auch bei Grün nicht ausfallen, gibt Bahl zu bedenken: „Klar arbeite ich mit Kontrasten, aber die Übergänge müssen stimmen und sollten nicht zu hart sein.“ Bei der Staude mit der wahrscheinlich größten Auswahl unterschiedlicher Grüntöne kann man allerdings kaum etwas falsch machen: Funkien (Hosta) faszinieren mit einer Vielfalt an Nuancen und Kombinationen. Der dunkelgrüne Rand rund um das ansonsten frische Maigrün des Blatts bei der Sorte ‘Amy Elisabeth’ ist da nur ein Beispiel von vielen. Michael Busemann, der eine Schwäche für blaugrün überreifte Sorten wie ‘Halcyon’ hat, erzählt: „Manche Liebhaber zwicken im Sommer sogar die Knospen der Funkien aus – damit ihre Blüte nicht die Harmonie der Grüntöne stört.“

Hauptdarsteller
Zu den Stars unter den Blattschmuckstauden gehören Funkien (Hosta), von denen es heute nicht weniger als 4.000 Sorten gibt. Ob einfarbig in sattgrün wie hier, bläulich schimmernd oder zweifarbig, filigran zart oder raumgreifend robust: Die Vielfalt ist gigantisch.

Christian Bahl

„Grüntöne und Blattschmuck sind für mich immer ein unverzichtbarer Bestandteil der Pflanzplanung.“

Ganz in Grün

Nach so viel Lob für diese Farbe liegt es nahe, sie mit einer tragenden Rolle zu besetzen. Christian Bahl schätzt die Atmosphäre eines überwiegend grünen Gartens: „Ich setze dort zwar meist Reflexe mit weißen Blüten, trotzdem strahlt so eine Anlage Ruhe aus und ich habe die Möglichkeit, mit den Blättern schöne Flächenwirkungen zu erzielen. Dafür verwende ich gerne Gräser, die dunkel gefärbte Heuchera ‘Palace Purple’ oder Rodgersia.“ Letztere ist ein gutes Beispiel für die ungewöhnlichen Blattformen, die bei der selbst gewählten Beschränkung auf die Farbe Grün besonders gut zur Geltung kommen: Ihr großes, an Kastanien erinnerndes Blatt sorgt für eine fast dschungelartig anmutende Üppigkeit in der Rabatte.
Das Spiel der Formen schätzt auch Michael Busemann: „Wenn keine Blüte ablenkt, schärft das die Wahrnehmung. Ich denke da an das sehr filigrane dunkle Laub einer Silberkerze, wie es die Sorte ‘Brunette’ hat. Zusammen mit einem vergleichsweise einfachen Gras, wie zum Beispiel Carex ‘Irish Green’ kann ich fein gefiederte Blätter betonen.“ Die großen, ledrigen und in ihrer Form an Salat erinnernden Blätter der Bergenien gehören ebenfalls zu den Blattschmuckstauden, die Busemann gerne inszeniert. Manchmal bieten Pflanzen auch eine ungewöhnliche Oberfläche: Arten wie der silbergrüne Woll-Ziest (Stachys byzantina) sind so flauschig behaart, dass man sie am liebsten streicheln möchte. Das gilt auch für den Austrieb der Herzblattwurz (Saruma henryi), die Busemann sehr gerne verwendet: „Er sieht fast ein wenig wie Hasenohren aus, und die Blätter entfalten sich zu grünen Herzen.“ Dass diese anspruchslose Staude noch relativ unbekannt ist, erstaunt angesichts ihres charmanten Äußeren.

Die feingliedrige Blüte des Frauenmantels (Alchemilla mollis) umspielt die robusten Steine der Trockenmauer.

Wandelbar je nach Jahreszeit

Langweilig können grüne Gärten schon deshalb nicht werden, weil sie ihren Charakter im Laufe des Jahres ändern. Dass Grün als Farbe der Hoffnung gilt, versinnbildlicht kaum eine Jahreszeit besser als der Frühling. Für Christian Bahl ist das Grün dieser Jahreszeit der Favorit unter den diversen Nuancen: „Ich mag besonders den Austrieb von Rotbuchen. Ein frischeres Grün kann ich mir kaum vorstellen.“ Für den kleineren Hausgarten empfiehlt er natürlich kompaktere Arten wie die diversen Züchtungen des Japanischen Ahorns. Ebenfalls unter seinen Favoriten ist die Felsenbirne: „Sie treibt kupferfarben aus, wird dann hellgrün, zum Sommer hin dunkel und im Herbst wieder rötlich. Natürlich blüht sie auch und trägt Früchte, aber allein schon der Wandel ihres Grüns macht sie besonders.“ Für ähnlich raffinierte Effekte eine Etage tiefer empfiehlt Christian Bahl den Rotschleierfarn (Dryopteris erythrosora): Im Austrieb kupferfarben bis gelbgrün, glänzen seine voll entrollten filigranen Wedel im Sommer dunkelgrün. Damit gehört auch er zu den vielseitigen Blattschmuckpflanzen im Garten, die mal den Blick auf sich ziehen und mal generös zur grünen Bühne für Blüten werden. Egal, welche Rolle sie im Garten gerade besetzen: Unverzichtbar sind sie in jedem Fall.

 

Michael Busemann

„Manche Liebhaber zwicken im Sommer sogar die Knospen der Funkien aus – damit ihre Blüte nicht die Harmonie der Grüntöne stört.“