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Geborgenheit im Grünen

Freiraum und Rückzugsort für eine Auszeit vom Alltag – beides vereint ein Garten. Die Sehnsucht danach ist nicht neu, aber größer denn je. Den Außenbereich so zu gestalten, dass er Wohlbefinden ausstrahlt, ist allerdings eine Kunst für sich. Raumbildung heißt hier das Schlüsselwort. Entsprechende Überlegungen bilden aus gutem Grund die Basis professionell angelegter Gärten.

Was macht einen gelungenen Garten aus? Wann wirkt er einladend und vermittelt Atmosphäre? Einfach ein paar schöne Pflanzen zu verteilen und die Fläche mit Gartenmöbeln, Wasserspielen und Wegen zu ergänzen, reicht jedenfalls nicht. Ob der eigene Garten ein richtiger Wohlfühlraum ist, hängt maßgeblich davon ab, ob man sich in ihm behütet und geborgen fühlt. Das klingt zunächst einmal so abstrakt wie subjektiv, ist aber eine der Grundweisheiten der Gartengestaltung und gilt tatsächlich für das große Ganze ebenso wie für jeden einzelnen

 

Gartenbereich. Da wird die Liste der unausgesprochenen Fragen, auf die ein Gartengestalter bei der Entwicklung seiner Planung Antworten finden muss, schnell lang. Doch praktischerweise gibt es, zumindest als Grundlage, auf all diese Fragen eine einzige Antwort. Sie lautet: raum-bildende Strukturen schaffen. Sie sind – oft ganz subtil und vom Gartenlaien gar nicht wahrgenommen – das Rückgrat jeder guten professionellen Planung – wie auch immer sie in der konkreten Ausgestaltung dann ausfallen. Die bleibt hochindividuell; das Instrumentarium, das ein Gartenprofi dafür zur Verfügung hat, ist riesig.

Die Bäume mit ihren schirmförmigen Kronen umschließen den Sitzplatz und verleihen in dem weitläufigen Garten Geborgenheit.

Schlüssel zum Gartenglück

Das Gesamtkunstwerk Garten verlangt von seinem Schöpfer räumliches Denken und ein Gespür für Proportionen. Gärtner von Eden Konrad Bitters aus Hamminkeln am Niederrhein sieht das als Basis jedes Projekts: „Die Raumbildung war schon immer die Kernaufgabe der Gartengestaltung, doch in den letzten zehn Jahren sind die Anforderungen noch einmal deutlich gestiegen. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Grundstücke tendenziell kleiner geworden sind.“ Das heißt ganz klar: Das „gute Gefühl“, das ein Garten vermittelt, ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis durchdachter Planung. Doch was heißt Raumbildung im Garten konkret? „Es geht vor allem darum, ein Grundstück in allen drei Dimensionen zu gestalten“, erklärt Konrad Bitters. Ein Garten mit raumbildenden Elementen besteht also nicht nur aus Beet-, Wege- und Terrassenflächen. Schon die Staude und der Solitärstrauch im Beet wirken als Raumbildner, erweitern den Garten gestalterisch in die Vertikale. Umgekehrt gehört zur Raumbildung aber auch, den nach oben theoretisch unendlich weiten Garten zumindest teilweise zu begrenzen.

 

 

Höhenunterschiede auf dem Grundstück lassen sich gut für die Raumbildung nutzen. Wie hier mit Sitzquadern, die gleichzeitig das höher gelegene Beet abfangen und die Terrasse begrenzen.
Der Blick durch die Bäume offenbart einen perfekt gestalteten Platz an der Sonne: Der blickdichte Zaun schirmt ihn nach hinten ab, Gräser und anderes Grün sorgen für die Atmosphäre, und nach vorn schweift der Blick über einen strahlend blauen Pool.

 

 

 

 

Dreidimensional Denken

Ideen zur Raumbildung entwickeln Profis wie Konrad Bitters vor Ort und nicht am Schreibtisch: „Erst einmal höre ich zu, um Ideen und Bauchgefühl des Kunden aufzunehmen. Im gemeinsamen Gespräch schärft sich dann das Bild von Wünschen und Möglichkeiten. Außerdem nehme ich die Lage und die Besonderheiten des Grundstücks auf und bekomme dadurch Impulse, wie ich den Garten gliedern könnte.“ Denn auch Gliederung gehört zur Raumbildung unbedingt dazu. Die Weite eines Grundstücks braucht aus ganz unterschiedlichen Gründen Struktur: Wer unterschiedliche Gartenzimmer anlegt, vermeidet Langeweile, kann einfacher sanfte Stilwechsel integrieren und zu unterschiedlichen Nutzungszwecken passende Bereiche schaffen.

 

Konrad Bitters

„Gelungen ist die Raumbildung, wenn jedes Familienmitglied sofort einen Platz im Garten findet, an dem es sich wohlfühlt.

 

Ein eigens angefertigtes Wasserspiel bildet den Übergang zwischen Terrasse und Rasen.
Der zweite Sitzplatz weiter oben erhält seine Raumwirkung durch eine umlaufende Sitzmauer.

Viele Möglichkeiten nutzen

Damit die Gratwanderung zwischen Freiheit und dem Bedürfnis nach Privatsphäre gelingt, kommen unterschiedliche und zum Teil ganz subtile gestalterische Elemente zum Einsatz. Höhenunterschiede etwa sorgen unauffällig für Struktur und vermitteln dennoch klare Botschaften: Liegt ein Sitzplatz beispielsweise nur ein wenig tiefer, entsteht ein Gefühl von Geborgenheit.

Zugleich vermittelt schon eine einzige Stufe, dass ein neuer Raum mit anderer Nutzung und Atmosphäre beginnt. Oft erfüllen raumbildende Elemente auch mehrere Funktionen: Eine Mauer gliedert ein Gelände nicht nur, sondern kann je nach Höhe auch als Sitzbank, Sichtschutz oder Windfang dienen. Auch Hochbeete sind ideale Raumbildner. Sie heben die Bepflanzung in die dritte Dimension, liefern Struktur, ohne zu trennen, und setzen über ihre Materialität auch noch ästhetische Akzente. Konrad Bitters drückt es so aus: „Gelungen ist die Raumbildung, wenn jedes Familienmitglied sofort einen Platz im Garten findet, an dem es sich wohlfühlt.“

Von der Idee zum Plan

Jetzt beginnt die schöne Arbeit, alle Ideen zu Papier zu bringen. Weil Bilder Räume präziser als Worte beschreiben, arbeitet Konrad Bitters später mit Ansichten, Perspektiven und auch 3D-Animationen: Durch sie werden Gärten erlebbar, schon bevor sie gebaut werden. Das ist sehr hilfreich, denn ein Plan als zweidimensionale Draufsicht vermittelt zwar die Anordnung und die Farben einzelner Elemente, nicht aber ihre räumliche und damit raumbildende Wirkung. Für die Atmosphäre eines Gartens ist diese dritte Dimension aber meist wichtiger als die Blütenfarbe einer Rose oder die Breite eines Weges.

Pflanzen prägen den Grundriss

Auch Pflanzen sind hervorragend geeignet für die Raumbildung im Garten. Das Gefühl, unterhalb einer Baumkrone oder hinter einer Hecke gut aufgehoben zu sein, kann jeder nachempfinden. Dabei sind nicht nur die Arten und Sorten vielfältig, sondern auch deren Formen. An Sitzplätzen verwendet Konrad Bitters gerne dachförmig gezogene Spaliere vom Amberbaum (Liquidambar styraciflua) oder dem Eisenholzbaum (Parrotia persica). Wird eher ein Raumteiler gewünscht, kommen vertikale Spaliere zum Einsatz, die auch als Sichtschutz fungieren können. Als weicher Sichtschutz fungieren hochwachsende Stauden und Gräser. Sie treiben jeden Frühling wieder neu, sind also nicht permanent als Raumbildner präsent.

Dessen sollte man sich bei ihrer Auswahl bewusst sein. Konrad Bitters folgt Staudenexperten wie Ernst Pagels und Karl Foerster. Er setzt beispielsweise gerne Chinaschilfsorten (Miscanthus sinensis ‚Kleine Silberspinne‘ oder ‚Ferner Osten‘) und Wasserdost (Eupatorium) als Raumbildner auf Zeit ein. Unabhängig davon, ob Pflanzen den Garten ganzjährig oder nur für einige Monate prägen – der Gestalter ist fasziniert von ihnen: „Sie verwandeln eine einfache Fläche in einen lebendigen, einladenden Raum.“ Und genau darum geht es.

Hecke, schirmförmige Baumkronen, Hochbeete, ein Zaun: In diesem Garten versammeln sich gleich mehrere Raumbildner, jeder ist einem anderen Gartenbereich zugeordnet.